Am 8. November 2024 hatten über 4 000 Schülerinnen und Schüler aus ganz Deutschland die besondere Gelegenheit, an einer Videokonferenz mit Ruth Melcer teilzunehmen. Frau Ruth Melcer, eine Überlebende des Holocausts, sprach mit den jungen Menschen über das Pogrom von 1938, ihre Erlebnisse während des Zweiten Weltkriegs und die Bedeutung der Erinnerung an diese dunklen Kapitel der Geschichte.
Die Veranstaltung wurde organisiert von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kooperation mit „Gegen Vergessen – Für Demokratie e. V.“, dem NS-Dokumentationszentrum München und der Public History im Kulturreferat der Landeshauptstadt München. Sie fand im Rahmen des Gedenkens an die Opfer des Pogroms gegen Juden am 9. November 1938 statt, das in der Geschichte als „Kristallnacht“ bekannt wurde. Dieses Datum steht für die Zerstörung jüdischer Geschäfte, das Niederbrennen von Synagogen sowie der Inhaftierung und Ermordung unzähliger Juden.
Ruth Melcer, die 1935 nahe der polnischen Stadt Łódź geboren wurde, erzählte den Schülerinnen und Schülern ihre beeindruckende Lebensgeschichte. Sie war erst vier Jahre alt, als die deutsche Wehrmacht 1939 in Polen einmarschierte. Der Beginn des Zweiten Weltkriegs brachte für sie und ihre Familie eine dramatische Wendung: Die Familie wurde ins Ghetto von Łódź verschleppt, bevor sie in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert wurde. Ihr damals siebenjähriger Bruder, Mirek, wurde von der Wehrmacht in einem Waldstück erschossen, ihre Eltern überlebten als gebrochene Menschen den Krieg. Frau Melcer selbst konnte nur überleben, weil sie statt ihrer neun Jahre als Zwölfjährige ausgegeben wurde und damit als arbeitsfähige Erwachsene galt.
Frau Melcer beantwortete einige der über 200 von Schülerinnen und Schülern eingereichten Fragen. Sie betonte, wie wichtig es ist, sich an diese Ereignisse zu erinnern, nicht nur aus Respekt gegenüber den Opfern, sondern auch, um sicherzustellen, dass solche Verbrechen nie wieder geschehen. „Wir müssen die Geschichte bewahren und weitergeben, besonders an die junge Generation“, betonte sie. „Wenn wir aufhören, uns zu erinnern, können solche Greueltaten wieder passieren. Darüber zu sprechen, ist für mich ein Alptraum, aber ich mach´s“.
Das Gespräch mit Ruth Melcer war eine eindrucksvolle und sehr bewegende Erinnerung an die Schrecken des Holocausts in einer Zeit, in der radikale, menschenverachtende Parteien auf dem Vormarsch sind. Es verdeutlichte, wie wichtig es ist, die Geschichten von Überlebenden wie Ruth Melcer zu hören und weiterzugeben, um das Gedenken an die Opfer wachzuhalten und für eine Zukunft ohne Hass und Intoleranz einzustehen.
Auf dem Gruppenfoto zu sehen von links nach rechts:
Text: Jana Heinz
Fotos: FLS